Wo Krokodile fliegen lernen
Karin Weiss ist Malerin und
Autorin zugleich. Den Spagat zwischen der Malerei und dem Schreiben zu
meistern, schaffen nicht viele. Manch einer kommt dabei ins Straucheln. Nicht
so Karin Weiss. Mit beiden Beinen steht sie fest auf dem Feldsteinboden in
ihrem Atelier. Zwischen den weiß gekalkten Wänden des umgebauten Stalltraktes fällt
der Blick durch das Fenster direkt auf den Dümmer See.
Wer Karin Weiss erlebt, kann sich
kaum vorstellen, dass sie jemals etwas anderes getan hat, als zu malen. Die
hochgewachsene, jugendlich wirkende 46-Jährige hat wache Augen, die ihre
Umgebung bis ins kleinste Detail wahrzunehmen scheinen. Große, schwingende
Schritte charakterisieren ihren Gang. Ihre langen Beine stecken in Jeans. Das
kupferfarben schimmernde Haar hat sie, farblich passend zum Shirt, mit einem
Haarclip mit türkisem Stein gebändigt. Gemalt hat sie immer. „Ich war als Kind
vier Jahre lang an einer Waldorfschule“, berichtet Karin Weiss. Dass eine
künstlerische Erziehung dort einen besonderen Stellenwert genießt, hat wohl mit
dazu beigetragen, dass sie den Pinsel nie aus der Hand gelegt hat. „Kinder
malen ja alle“, erklärt sie, „in dem Alter, in dem andere dann damit aufhören,
habe ich einfach weitergemacht“. Ihr erster Brotberuf wurde die Malerei dennoch
nicht.
Geboren wurde Karin Weiss 1968 in
Braunschweig. Sie ist im saarländischen St. Wendel aufgewachsen. Dort hat sie
auch ihr Abitur gemacht. Schon während ihrer Schulzeit konnte sie bei der
Saarbrücker Zeitung Presseluft schnuppern. Nach ihrem Studium der Slawistik und
Germanistik hat es sie dann erst einmal in die Welt hinaus gezogen. Längere
Aufenthalte in St. Petersburg und Kiew folgten, bevor sie in ihrem Job als
freie Journalistin gelandet ist. Ihre Arbeit als Radio- und Fernsehjournalistin
beim NDR habe ihr viel Spaß gemacht. Das Malen aber hat sie während all dieser
Jahre nie aufgegeben. Auf Wochenendakademien hat sie Gleichgesinnte getroffen,
mit großen Formaten und breiten Pinseln experimentiert.
Zwei Jahre nach ihrem Umzug nach
Mecklenburg-Vorpommern, im Jahr 2003, hat sie sich entschlossen, die Malerei
nicht mehr nur nebenberuflich zu betreiben, sondern zu ihrem Hauptberuf zu
machen. Ein Meilenstein auf diesem Weg ist die erfolgreiche Bewerbung beim
Berufsverband Bildender Künstler im Jahr 2007 gewesen. Sie selbst war ohne
Weiteres davon ausgegangen, Mitglied zu werden. Erst im Nachhinein hat sie
erfahren, wie schwierig eine solche Aufnahme werden kann und welche Anerkennung
diese dementsprechend ausdrücke.
Nun entstehen in ihrem Atelier in
der Nähe von Schwerin, unter anderem abstrakte Acrylmalereien, Drucke,
Holzschnitte, Keramiken, Lampen und Postkarten. Hier bietet sie zudem
verschiedene Workshops und Kurse an, in denen die Teilnehmer selbst Drucke oder
Bilder herstellen, töpfern oder auch Lampen bauen können. In den Workshops
arbeiten die Teilnehmer oft an völlig unterschiedlichen Projekten. Die Arbeit
des jeweils anderen bietet jedoch nicht nur den Gästen, sondern auch der
Künstlerin selbst neue Quellen der Inspiration.
Neben ihrer Tätigkeit als
bildende Künstlerin und Dozentin blieb Karin Weiss dem Schreiben auch weiterhin
treu. Im Jahr 2013 hat sie ihr erstes Kinderbuch mit dem Titel „Kroko träumt nach anderswo“ veröffentlicht. Bis sie ihre Idee verwirklicht und das Buch
endgültig seinen Platz auf den Ladentischen des Buchhandels gefunden hatte,
vergingen sieben Jahre. „Es ist ein künstlerisches Buch“, betont die Autorin.
Alles darin stammt von ihr selbst. Sie hat nicht nur die Verse gedichtet,
sondern auch die Schrift selbst entworfen. Die Buchstaben hat sie aus
Linolplatten geschnitzt, bevor sie als Computerschrift „kroko sans serif“
installiert wurden. Die Illustrationen sind als Mischung zwischen Druck und
Malerei entstanden. Die 90 x 60 Zentimeter großen Originale in Acryl hat
Karin Weiss im Jahr 2013 in einer Ausstellung in ihrer eigenen
Werkstatt-Galerie präsentiert. Die Bilder sind in dunklen Farben gehalten. „Das
gefällt nicht jedem“, meint die Malerin und ergänzt: „Kinder haben damit
komischerweise überhaupt keine Probleme“.
Derzeit schreibt sie im Rahmen der
Kreativ-Plattform „Oetinger 34“, einem in der BETA-Phase befindlichen Projekt
des Oetinger-Kinderbuchverlages, an einem neuen Buch. Dieses Mal handelt es
sich um ein phantastisches Kinderbuch für Kinder zwischen neun und zwölf Jahren,
das voraussichtlich im Dezember fertig wird. Bei ihrem Schreibprozess wird sie
unterstützt von einer Lektorin und einer Leserin. Die Geschichte spielt an vielen
verschiedenen Orten, die die Autorin selbst besucht hat. So hat sie im Buch
beispielsweise ihre Arbeit als Dolmetscherin auf einem Schiff verarbeitet und
es kommen viele Plätze darin vor, die sie von ihrem Aufenthalt in Kiew kennt.
„Manches hat sich natürlich verändert“, erklärt Karin Weiss. „Das muss ich dann
auch recherchieren.“ Schließlich sollten die Orte schon stimmen, auch wenn es
ein phantastisches Kinderbuch werden wird.
Ausgewogen ist die Arbeit an zwei
Fronten auch bei Karin Weiss nicht immer. Es gibt Zeiten, in denen steht die
Malerei an erster Stelle, in anderen geht ihr das Schreiben leichter von der
Hand. Künstlerisches Schaffen ist auch bei ihr ein Prozess, der ständigen
Veränderungen, ständigen Weiterentwicklungen unterworfen ist und sich mit immer
neuen Herausforderungen konfrontiert sieht. Derzeit steht ein Umzug der
Werkstatt-Galerie nach Schwerin an, der sicher einige Veränderungen mit sich
bringen wird. Gespannt sein dürfen darauf nicht nur die Schweriner!
Wer mehr über Karin Weiss und ihre Arbeit erfahren und sich selbst ein Bild von ihr machen möchte, findet HIER ihre Website.