Briefe lesen statt Erziehungsratgeber wälzen
Eines vorweg: Ich bin zwar begeisterte Leserin von
Ratgebern, solche, die die Entwicklung von Kindern in normative Phasen
unterteilen, sind mir allerdings ein Graus. Selbst wenn dies häufig mit der,
meist im Vorwort vermerkten, Prämisse geschieht, jedes Kind entwickele sich
anders. Dem Buch „Oje, ich wachse!“ zum Beispiel konnte ich nichts abgewinnen,
obwohl es mir von mehreren Menschen, die mir am Herzen liegen, empfohlen wurde.
Als ich von den Erziehungsbriefen des Peter Pelikan e. V. hörte, war ich
entsprechend skeptisch.
Die Eltern-Briefe des Peter Pelikan e. V.
Die Pelikan-Briefe gibt es seit mehr als fünf Jahrzehnten.
Sie wurden in den USA unter anderem von Pädagogen, Psychologen,
Erziehungsberatern und Ärzten entwickelt. Der Peter Pelikan e. V.
unterstützt mit seinen „Briefen“ Eltern und Bezugspersonen bei der Erziehung.
Die Elternbriefe sind zwei Dinge nicht: sie sind weder riesige Pamphlete noch
oberflächliche Beschreibungen der allgemeinen Entwicklung, die Kinder haargenau
durchlaufen sollten, um als „normal“ gelten zu dürfen. Vielmehr stellen sie,
erarbeitet von Eltern sowie pädagogischen, medizinischen und psychologischen
Fachkräften eine Übersicht dar. Sie zeigen auf, was Eltern in einzelnen
Altersphasen erwartet, welche Entwicklungsschritte Kinder machen und wie Eltern
damit umgehen können. Die behandeln die Ursachen bestimmter Verhaltensweisen
und kindlicher Reaktionen. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit den
Möglichkeiten der Förderung und Freizeitgestaltung. Die geschieht ehrlich und
authentisch. Beim Lesen hat man als Mutter (oder Vater) weder das Gefühl, das
eigene Kind sei ein absoluter Überflieger noch es hinke in seiner Entwicklung
meilenweit hinter seinen Altersgenossen hinterher. Natürlich wird es immer
Abweichungen geben. Es ist eben nicht jeder Mensch gleich. Die Eltern-Briefe
vermitteln beim Lesen dennoch nicht den Eindruck, dass solche „Abweichungen“
bedenklich seien. Gleichwohl weisen sie auf Problemfelder hin und benennen
Verhaltensweisen, die darauf hinweisen, dass die Hilfe einer Fachperson in
Anspruch genommen werden sollte. Mir persönlich haben besonders die Tipps und
Ideen zum Spielen gefallen. Bei ihnen steht das Interesse der Kinder in der
jeweiligen Altersstufe im Vordergrund, nicht etwa das, was Kinder irgendwann
einmal können sollten und womit man daher schon einmal anfangen muss. Die
Spieletipps orientieren sich an dem möglichen, altersgemäßen
Aufmerksamkeitsspannen und betonen die Möglichkeiten von Kindern im jeweiligen
Alter.
Broschüren und Filme über die Entwicklung von Kindern
Erhältlich sind im Online-Shop mehrere Broschüren zu herrlich entspannten Preisen. „36 Peter-Pelikan-Elternbriefe für das 1. bis 6. Lebensjahr – komplett“ umfasst dabei die Phase von der Geburt bis zum Schuleintritt. Erhältlich sind jedoch auch einzelne Broschüren für Kinder zwischen 0 und 3 sowie zwischen 3 und 6 Jahren. Es gibt darüber hinaus Eine Broschüre zu Schwangerschaft und erstem Lebensjahr sowie eine gesonderte Broschüre zu Krise, Trennung, Scheidung und Stief-Familie. Eine DVD mit dem Titel „Wie Babys sich entwickeln“ ist ebenfalls preisgünstig im Shop erhältlich.
Express-Briefe im Gratis-Download
Als Gratis-Download steht der Expressbrief zur Verfügung. So widmet sich ein Eltern-Express-Brief für Eltern von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren beispielsweise den „Starken Charakteren“ – eine angenehm entspannte Umschreibung für die gern als oppositionell oder trotzig bezeichneten Kinder, die ihren Gefühlen und Wünschen besonders ausgeprägt Ausdruck verleihen. Als Mutter eines charakterstarken kleinen Jungen habe ich zu diesem Thema bereits viele Ratgeber gewälzt – mit mäßigem Erfolg. Viele Bücher beschäftigen sich mit dem maßgeblich oppositionellen oder trotzigen Verhalten. Einen Hinweis auf die positiven Seiten, die diesen Verhaltensweisen zugrunde liegen können und die Schwierigkeiten, die sich daraus mitunter ergeben, habe ich selten erhalten. Schon bei der Frage danach, was denn unerwünscht sei, scheiden sich die Geister – wie jeder, der selbst Kinder hat, im kinderentfremdeten Alltag sicher schon einmal zu spüren bekommen hat. Ich zum Beispiel ernte regelmäßig schale Blicke in der Straßenbahn. Nicht etwa, weil mein Kind rasend herumrennt, sich auf dem Boden wälzt oder sich sonst irgendwie unangemessen gebärdet – nein, er SPRICHT! Ja, als gefühlsstarkes Kind hat er die Angewohnheit, seiner Freude Ausdruck zu verleihen und ruft dann schon mal etwas lauter: „He, Mama, schau mal!“ Oder „Oh jjjjaaaaa!!!!!!!!!!!!!“ Selbst dafür ernten Kinder bei uns im Norden schon mal entsetzte Blicke. Schade, ich selbst nehme mir lieber ein Beispiel an der kindlichen Fähigkeit, Freude auszudrücken als an den verbrummelten Gemütern, die schon morgens Frust ausstrahlen.
Aber zurück zum Thema – der Elternbrief von Peter Pelikan
ist auf seinen zwei Seiten bemerkenswert vielschichtig. Er bedient beides – die
Beschreibung von tatsächlich beachtenswerten und bedenkenswerten Verhaltensweisen
sowie die Anregung, über deren Ursachen nachzudenken. Keinesfalls liegen diese
nämlich in der Natur trotziger Kleinkinder. Sicher gibt es Kinder, die unter
ADHS leiden. Es gibt aber auch Kinder, deren Eltern Durchsetzungsfähigkeit
höher schätzen als Angepasstheit und deren Verhalten sich eben demgemäß
gestaltet. Statt Strafen (es gibt Ratgeber, die tatsächlich empfehlen, Kinder
einzuschließen!!!!) wird der Fokus auf Konsequenz und positive Bestätigung
gelegt und somit ein Grundstein für eine entschlossene, liebevolle
Eltern-Kind-Beziehung gelegt.
Mehr Informationen zu Peter Pelikan findet ihr hier:
http://www.peter-pelikan.org/
Habe das Buch mit Peter-Pelikan-Briefen Geschenk bekommen. Kann nur positiv beurteilen habe meine Freundin zu Geburt ihres Sohnes auch das Buch geschenkt. Konnte in vielen Situation für mich hilfreiche Sachen aus dem Buch rausnehmen.
AntwortenLöschenWie schön, dass auch ihr gute Erfahrungen mit den Peter-Pelikan-Briefen machen konntet. Auf die Idee, sie zu verschenken, bin ich noch gar nicht gekommen, mache ich demnächst aber bestimmt auch mal. Euch alles Gute und vielen Dank für den Kommentar!
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