von Ulf Nilsson und Eva Eriksson
ab 5 Jahre
Lampenfieber – wer kennt das nicht? Zuhause lang Erprobtes
will einem im Moment der Wahrheit einfach nicht über die Lippen kommen. Was
Erwachsene bei einem Referat, im Vorstellungsgespräch oder beim Heiratsantrag
erleben, begleitet auch Kinder in ihrem Alltag. Wieder einmal ist es Ulf
Nilsson und Eva Eriksson gemeinsam gelungen, ernste Gefühle anschaulich und
einfühlsam in ein Bilderbuch zu verwandeln, das Kinder und Erwachsene
gleichermaßen anspricht.
Der Ich Erzähler, ein Junge von sechs Jahren, sing seinem
kleinen Bruder in dem Kinderbuch „Der beste Sänger der Welt
“ gern zuhause etwas
vor. Zunächst altbekannte Lieder, dann ein Lied, das er nur für ihn erfunden
hat. Als er aber bei einer Schulaufführung auf einer echten Bühne stehen soll,
verlässt ihn der Mut. Er möchte partout nicht vorsingen. Die Lehrerin bittet
ihn, neben der Bühne zu warten und nur den Schlusssatz zu sagen. Das einzige
Kostüm, das dafür noch übrig bleibt, ist das des Maulwurfs. Die Nacht vor der
Aufführung ist von Ängsten und schlechten Träumen durchzogen. Das Frühstück
will nicht so recht schmecken. Die Hände zittern. Immer drückender wird die
Angst, immer rasender das Klopfen des Herzens. Noch bevor sein Einsatz gefragt
ist, rennt der Junge durch den Saal aufs Klo. Nie wieder möchte er zurück. Also
versteckt er sich in der Garderobe, bis er dort von seinem kleinen Bruder
entdeckt wird. Arm in Arm begleitet der kleine den großen Bruder mit auf die
Bühne und verhilft ihm so zu dem Mut, den er allein nicht aufbringen konnte.
Schließlich sagt der Junge nicht nur den Schlusssatz, sondern singt seinem
kleinen Bruder auch noch dessen Lieblingslied – bis dieser sich vor Lachen auf
der Bühne kringelt und die Scheinwerfer ausgehen.
Besonders bildhaft und symbolträchtig wirkt die Wahl des
Maulwurfskostüms. Der Maulwurf kommt hier nicht allein als Frühlingsbote zum
Einsatz. Während die Kinder auf der Bühne von Sonnen, Blumen und Bäumen umringt
sind, wartet der Maulwurf hinter einem dunklen Erdhaufen darauf, ins Licht
hinaufsteigen zu können. Am Ende kommt er „aus der Unterwelt nach oben“ und
entwickelt den Mut, sich ins Licht (der Scheinwerfer) zu stellen.
„Der beste Sänger der Welt“ ist vieles in einem: ein
Kinderbuch über die Überwindung von und den Umgang mit Lampenfieber. Eines über
das Beherrschen der Ängste. Ein Buch über Geschwisterliebe und über Mut.
Ehrlich und authentisch geht der Autor mit den negativen Gefühlen seines
Protagonisten um. Zugleich entwirft er Nebenfiguren, wie Eltern oder Lehrerin,
die vorbildlich, aber eben erwachsen mit der Situation umgehen. Dem kleinen
Bruder dagegen gelingt es, ganz unbefangen und absichtslos Mut zuzusprechen und
das große Geschwisterkind durch diese schwierige Situation zu begleiten. Die in
gedeckten Farben gehaltenen Illustrationen von Eva Eriksson bringen die Gefühle
anschaulich zum Ausdruck. Übermut, Freude, Mitgefühl und Liebe zeigen sie
ebenso eindrücklich, wie sie Alpträume, Ängste und Niedergeschlagenheit
darstellen. Gleichwohl gelingt es der Illustratorin, Bilder zu entwerfen, die
hierbei niemals an sich beängstigend wirken. „Der beste Sänger der Welt“ ist
ein Kinderbuch, das in keinem Regal fehlen sollte. Es hält eine spannende
Geschichte parat. Zugleich bereitet es Kinder ohne erhobenen Zeigefinger auf
neue, verunsichernde Situationen vor. Erwachsene erinnert es daran, dass
Bestärkung im Umgang mit Unerwartetem im Gegensatz zu Ermahnungen mitunter
Wunder wirkt.
Ulf Nilsson, Eva Eriksson: Der beste Sänger der Welt. Moritz
Verlag, Frankfurt am Main 2012.
Bildquelle:
http://www.moritzverlag.de/index.php?article_id=519
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